Meine Geschichte in 4000 Zeichen – Herausforderung angenommen.
Meine Geschichte beginnt im Mai 2022. Ich sitze im Büro am PC, ich denke daran, dass ich im September Geburtstag habe und dass ich dann immer schlechte Laune habe. Ich merke wie mein Herz zu rasen beginnt, meine Hände zittern und Panik steigt in mir auf, tiefe, unendlich tiefe Panik steigt in mir. Was bricht sich da in mir Bahn? Ist es etwa DAS? Ich benötige Hilfe!
Heute ein halbes Jahr später, kann ich über meine ADOPTION schreiben – Fortschritt.
Meine Geschichte beginnt, wie jede Geschichte am Anfang, am 22.September 1977 in Wernigerode. Drei Wochen zu früh, an einem Donnerstag um 22.00 Uhr. Meine Mutter war 19 und hatte bereits eine Tochter, Gabi, 2 ½. Drei Wochen zu früh, mein Vater hatte sich im siebten Monat der Schwangerschaft verabschiedet. Nach einer kurzen Zeit im Inkubator und im Krankenhaus ging es für mich nach Hause. Dann wenige Tage später der erste Schock, Lungenentzündung, Kinderklinik für über einen Monat allein im Krankenhaus. Keine Zeit für Liebe, für Nähe, für alles was ein Neugeborenes braucht. Ich war mit überleben beschäftigt. Dann ging es wieder nach Hause, aber nicht für lange. Im November hieß es „ab“ in die Wochenkrippe. Wochenkrippe in der DDR bedeutet für das Kind: Aufenthalt in fremder Umgebung von Montag früh bis Freitag Nachmittag, inklusive Übernachtung. Warum? In der DDR hatte man das Recht auf Arbeit und die verdammte Pflicht. Und meine Mutter als Alleinerziehende hatte keine andere Möglichkeit für mich. Nicht gut für mich, dies hat mich für den Rest meines Lebens geprägt, wie ich erst viel später erfahren sollte. Das Drama nimmt seinen Lauf. Meine Mutter ließ es schleifen, meinte der Staat DDR gibt nach … weit gefehlt.
Mit einem Jahr am, 13.09.1978 ging es für mich nicht nach Hause, im Gegenteil. Ich wurde ins Kinder u. Säuglingsheim aufgenommen. Meine Schwester, sie war knapp vier, kam in ein reguläres Kinderheim. Wir sollten uns erst 38 Jahre später wiedersehen.
Eine Station weiter und 2 ¼ Jahre später wurde ich adoptiert. Gegen den Willen meiner Mutter aber in liebevolle, gütige, verstehende Hände.
Ich wuchs liebevoll auf. Hier und da gab es Fragen von mir, halb an meine Eltern, halb an mich; warum gibt es keine Babyfotos von mir, warum hatte meine Mutter eine Operation, warum reagiert Mama so komisch, wenn ich wissen will, aus welcher Brust ich getrunken habe? Die Zeit schritt voran. Zeitenwende – in doppelter Hinsicht, die DDR verging und meine Unschuld.
Im Schulunterricht sprachen wir über Adoption, über biologische Eltern und über soziale Eltern. Meine Lehrerin fragte mich, ob ihre Ausführungen zu dem Thema richtig sind und das ausgerechnet mich, „Das stimmt doch Tobias, oder?“ ich war wie vor den Kopf gestoßen. Ich antwortete Reflexartig mit „Ja“. Meine Lehrerin erkannte sofort ihren Fehler. Sonst schien das Thema niemanden weiter zu belasten, aber mich.
Ich kam nach Hause und fragte nach. Der totale Schock, am Küchentisch unter Tränen berichtete meine Mutter: „Ja! Du bist adoptiert!“, mir wurde schwarz vor Augen und ich wollte nur allein sein, ich weinte, konnte nicht so richtig weinen, weil Wut sich unter den Schock mischte. Plötzlich ergab alles auf traurige Weise einen Sinn.
Weil meine Mama weinte, wollte ich nicht weiter in dieser Wunde bohren. Ich grübelte eine Weile und kam zu dem Schluss, dass meine leibliche Mutter mich weggeben hat, damit ich es besser haben werde. Das war für mich die am wenigsten schmerzliche Geschichte und ich nahm sie für mich an, über viele Jahre. Viel ist in der Zwischenzeit passiert.
Mein Vater, vor dem ich als Kind Angst hatte, ohne dass es einen Grund gab, ist am 7. November 2022 verstorben – Ruhe in Frieden, lieber Adolf!
Ich hatte Akteneinsicht in meine Adoptionsakte, da war von Verwahrlosung und Hunger die Rede. Aber wie ich heute weiß nur die halbe Wahrheit, die Arbeit an meiner Biografie geht gerade erst los.